Bildungsgerechtigkeit in der Albert-Einstein-Oberschule (AES)
Die AES möchte grundsätzlich allen Kindern einen gleich guten Start ermöglichen – unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Vorgeschichte. Aus diesem Grund gibt es insbesondere zu Beginn von Jahrgangsstufe fünf umfangreiche diagnostische Maßnahmen, in deren Rahmen jedes Kind genau beobachtet wird mit dem Ziel, zu erkennen, wo Stärken sowie Probleme liegen und wo unterstützt werden muss; nicht nur im schulischen, sondern wenn erforderlich auch im außerschulischen Bereich.
Bildungsgerechtigkeit bedeutet, Schülerinnen und Schülern aus ihrer Perspektive passende Lernangebote zu machen. Das heißt zunächst einmal, dass die Verantwortlichen die Perspektive wechseln und die der Schülerinnen und Schüler einnehmen - oder das zumindest bestmöglich versuchen. Dann stellt sich heraus: Es gibt Schülerinnen und Schüler, die mit „klassischem“ Unterricht sehr gut klarkommen. Und es gibt an dieser Schule auch eine nicht geringe Anzahl Kinder, die Förderbedarfe in unterschiedlichen Kompetenzen oder im sozial-emotionalem Bereich haben und deshalb einen anderen Zugang zum Lernen benötigen. Die Verantwortlichen an der AES legen großen Wert darauf, abhängig von den Bedürfnissen und Persönlichkeiten der Kinder unterschiedliche Zugänge zu Wissen, Können und Kompetenzerwerb zu ermöglichen. Um herauszufinden, was der bzw. die Einzelne unter Berücksichtigung der individuellen Lernstände bzw. Lernausgangslage braucht, wird umfassende Diagnostik betrieben, mit dem Ziel „Schülerinnen und Schüler dort abzuholen, wo sie sind“. Zu den eingesetzten diagnostischen Instrumenten in Klasse fünf gehören u.a. im Fach Deutsch die Hamburger Schreibprobe zur Erfassung von Rechtschreibkompetenz (HSP, vgl. BISS 2024d) und die individuelle Lernstandsanalyse im Bereich Lesekompetenz (iLeA, vgl. Bildungsserver Berlin Brandenburg 2024) sowie ein schulspezifisches, eigens entwickeltes diagnostisches Instrument im Fach Mathematik. Gruppenbezogene Verfahren zur Standardsicherung in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch werden in höheren Jahrgangsstufen auch dazu genutzt, diagnostische Informationen zu erhalten, dazu gehören Parallelarbeiten in Klasse sechs, VERA 8 in Klasse acht sowie die zentralen Abschlussprüfungen in Klasse zehn.
Klar ist hier allerdings auch: „Mit Diagnostik alleine ist es nicht getan; es kommt ja darauf an, was aus dem Ergebnis folgt“. Das geschieht, indem die Verantwortlichen an der AES den Perspektivwechsel in entsprechende konkrete differenzierende Maßnahmen übersetzen und damit einen Beitrag zur Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit anstreben. So sind auch für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler an der AES spezielle Förderangebote vorgesehen, die durch Ressourceneinsparung an anderer Stelle (u.a. über das Schienenmodell, s.u.) ermöglicht werden. Besondere Angebote für Förderschülerinnen und Förderschüler gibt es in den Klassen neun und zehn; in den Hauptfächern wird pro Jahrgang für diese Zielgruppe ein zusätzlicher Kurs angeboten mit Schwerpunkt Berufsorientierung;[1] u.a. werden die Schülerinnen und Schüler bei der Vorbereitung des Bewerbungsprozesses um Ausbildungsplätze unterstützt. Es gibt eine rege Zusammenarbeit mit Werkstätten und Werkschulen. Bedauerlicherweise sind die Plätze an der Werkschule sehr begrenzt. Anders als bei manchen Eltern und mitunter auch bei der Schülerschaft, bei denen diese Schulform eine negative Reputation hat, ist sie für „viele Schülerinnen und Schüler ein guter Ort, das Konzept bedeutet in vielen Fällen einen wichtigen Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit“. Aber auch die Werkschule ist kein Selbstgänger und kein „Abschiebebahnhof“ – auch hierfür müssen die Kinder befähigt werden, u.a. im Hinblick auf Pünktlichkeit, Verbindlichkeit und die Bereitschaft, sich einzubringen.
Die AES hat kein eindeutiges Leitbild bzw. ist es keinem mehr „wirklich“ bekannt, obwohl es bei der Schulgründung eines gab. Die Schulleitung hat in der Corona-Zeit gewechselt. Sonja Riedl hat die Schulleitung u.a. deswegen übernommen, weil sie das Kollegium an der AES sehr schätzt. Für sie war die Frage der Neubelebung eines Leitzieles allerdings nicht in Videokonferenzen zu behandeln, und bisher gab es auch nicht die Gelegenheit, das nachzuholen. Nach Einschätzung beider Interviewpartner würde Bildungsgerechtigkeit ein integraler Bestandteil eines aktuellen Leitbildes der AES sein; hundertprozentig sei die allerdings nicht herstellbar, weil die Kinder alle mit unterschiedlichen Hintergründen an die Schule kommen. Aktuell geht Sonja Riedl davon aus, dass jede und jeder Verantwortliche an der Schule sich um Bildungsgerechtigkeit bemüht, ein Konsens dahingehend, was darunter im Kontext der AES zu verstehen und wie dies am besten umzusetzen wäre, ist bislang allerdings nicht hergestellt. So ist es zu erklären, warum einheitliche Maßnahmen (in) der Schule im Hinblick auf eine Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit bislang oft an unterschiedlichen Wahrnehmungen, Einstellungen und Haltungen im Kollegium scheitern. Schulentwicklung, auch im Hinblick auf das Ziel der Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit, setzt voraus, dass die Verantwortlichen miteinander dazu im Dialog stehen und sich in den Grundzügen einigen.[2] Dieser Prozess steht an der AES noch aus. Die Schule und alle Beteiligten haben sich von den Strapazen der Corona-Zeit bis dato nicht erholt, und das wird auch noch Zeit brauchen.
Die beiden bleiben aber am Ball, auch wenn das mühsam ist und mitunter einer Sisyphusarbeit gleicht:[3] Ein Beispiel dafür ist die von Sonja Riedl mit Übernahme der Schulleitung ins Leben gerufene Steuergruppe, die inzwischen aber schon nicht mehr existiert. Diese Gruppe hatte sich u.a. dafür eingesetzt, dass die Mitglieder des Kollegiums an unterschiedlichen Schulen, auch im Ausland (zuletzt in der Schweiz) hospitieren, um zu sehen, „wie Schule auch gehen kann, wenn andere Konzepte gefahren werden“. Als Beispiele für Aspekte, die für die AES relevant sein könnten, nennt Sonja Riedl die Auflösung von Fächergrenzen, jahrgangsübergreifende und weitere offene Unterrichtskonzepte sowie Wege zur Teambildung. Zu Bildungsgerechtigkeit gehört für Sonja Riedl und Jonas Oltrogge auch, dass die Lehrerschaft den eigenen Unterricht immer wieder reflektiert über Hospitation, sich bewegt und Schule neu denkt. Punktuell geschieht das an der AES auch im Moment; Jonas Oltrogge plädiert in diesem Kontext für das gemeinsame Adaptieren von „best practice“-Methoden und hat dafür auch im Kollegium schon einige Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden.