Bildungs­gerechtigkeit:
Schlüssel zur Zukunft

Haltung zeigen - Neue Oberschule Lehe (NOL)

Bildungsgerechtigkeit ist für uns ganz wesentlich eine Frage der Haltung: „Lehrkräfte, die nicht an die eigenen Schüler:innen glauben, haben ihren Beruf verfehlt."

Sarah Matuszewski

Kurzportrait

Neue Oberschule Lehe
Bremerhaven, Stadtteil Lehe

Schulform: Oberschule

Schulleitung: Christine Fiebig (Schulleitung) & Steffen Woynar (ZuP-Leitung) 

Anzahl Lehrkräfte: ca. 47

Zusatzpersonal: 2 Sozialpädagog:innen, 11 Betreuungskräfte 

Schüler: ca. 510

Essensangebote: Kostenloses Frühstück, frisch gekochtes Mittagessen 

Besonderheiten: Offene Ganztagsschule im Aufbau; Schulneubau (Teil eines Bildungscampus); handlungs- und projektorientiertes Arbeiten in Werkstätten und Lernlandschaften; Begleitung durch Uni Bremen 

Das Emblem: Der Mensa-Chip

Ein Ort, der faire Bildungschancen für alle schafft – vielfältig, praxisnah und zugewandt

An der NOL heißt Bildungsgerechtigkeit: Kein Kind bleibt zurück – weil Grundbedarfe gesichert, Potenziale erkannt und individuell gefördert werden.

Emblem:
Der Mensa-Chip

Der Mensa-Chip an der NOL ist ein Beispiel dafür, wie die Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit durch bürokratische Hürden erschwert wird. Er steht damit sinnbildlich für die vielen, teils unnötigen Hindernisse, die es auf diesem Weg zu beseitigen gilt. An der NOL wird den Schülerinnen und Schülern Essen in Form eines täglichen kostenlosen Frühstücks angeboten. Die Schulleitung hat – außerhalb der regulären Arbeitszeit – für dieses rein spendenfinanzierte Angebot gesorgt, ohne das es keine Morgenmahlzeit in der Schule geben würde. Mittagessen wird ebenfalls angeboten; diese Mahlzeit wird aus öffentlichen Mitteln (teil-)finanziert; hierfür müssen sich die Kinder mittlerweile über einen Chip anmelden, für den die Eltern eine Mietgebühr in Höhe von fünf Euro im Vorwege überweisen müssen. Das funktioniert nicht: Die Zahlen beim Mittagessen sind rückläufig, seit der Chip eingeführt wurde im Vergleich zu Zeiten, als in bar für das Essen bezahlt wurde. Viele Eltern verstehen trotz Übersetzung in ihre Muttersprache das Chipsystem nicht. Hier wurde eine bürokratische Hürde eingezogen, die letztlich dazu führt, dass mehr Kinder und Jugendliche als zuvor kein warmes Mittagessen bekommen – ein Rückschritt auf dem Weg zur Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit, der trotz besseren Wissens bisher nicht revidiert werden konnte.

Der Mensa-Chip ist ein Beispiel für überflüssige Bürokratie. Solche Entscheidungen werden häufig von Menschen getroffen, die sich selbst an bestehende Strukturen gebunden sehen und vor diesem Hintergrund keine nachhaltigen Veränderungen herbeiführen können bzw. wollen. In der Politik schaut man an den entscheidenden Stellen nicht darauf, was konsequent bis zum Schluss umgesetzt werden müsste und wie das möglichst adressatenorientiert geschehen könnte. Die Realität der Kinder, um die es geht, muss umfänglich von Politikern und denjenigen, die Entscheidungen treffen, im Vorwege erfasst werden, bevor schulpolitische und bürokratische Schritte in die Wege geleitet werden. Für die Essensversorgung an der NOL und an vergleichbaren Schulen würde das bedeuten: Es muss Geld für kostenloses Frühstück und Mittagessen zur Verfügung gestellt werden, und zwar auf unbürokratischem Weg. Der umfängliche bürokratische Aufwand, der dabei wegfällt, würde auf das Ganze gesehen Kosten einsparen.

Das Beispiel zeigt, dass und warum Schulstrukturen entbürokratisiert werden müssen: Menschen, die an Schule Verantwortung übernehmen, sind im Alltagsgeschäft enorm mit Bürokratie ausgelastet. Auf diese Weise bleibt zu wenig Zeit für ihre Hauptaufgaben, nämlich Unterricht sowie Arbeit an neuen pädagogischen Konzepten gestalten, beispielsweise zur Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit. Diese Kernaufgaben können häufig in der regulären Arbeitszeit unter den derzeitigen Bedingungen kaum bzw. nicht adäquat bewältigt werden.

Bildungsgerechtigkeit an der Neuen Oberschule Lehe

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Steckbrief in eigenen Worten

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Interview­partnerin Christine Fiebig (CF)

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Fokus: Haltung zeigen

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Sarah Matuszewski, Lehrerin – Neue Oberschule Lehe

Ein erster Funke - Unser Fototermin an der Neuen Oberschule Lehe

Als wir in der Mittagszeit den Containerbau betreten, der die NOL in den vergangenen sieben Jahren seit ihrer Gründung beherbergt, empfängt uns im Mensa- und Cafeteriatrakt ein freundliches und geschäftiges Gewusel aus Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die essen und sich unterhalten. Nach wenigen Minuten, noch bevor wir mit der spontanen Hilfe einiger Freiwilliger die komplette Fotoausrüstung hereingetragen haben, zerstreuen die Menschengruppen sich wie von magischen Fäden gezogen v.a. nach draußen auf den Schulhof.

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Sophie – NOL
Ann-Sophie – NOL

Ergebnis: Wie gelingt Bildungsgerechtigkeit – und was steht ihr an der NOL im Weg?

Wie kombiniert die NOL die Konzepte der Verteilungs-, Schwellen- und Anerkennungsgerechtigkeit, um allen Schüler:innen faire Chancen auf Bildung, Teilhabe und Entwicklung zu ermöglichen:

Bildung beginnt mit Frühstück – und mit Haltung
An der NOL wird Bildungsgerechtigkeit vom Fundament her gedacht. Als Startchancen-Schule sorgt sie zuerst für das, was wirklich zählt: ein sicheres Frühstück, digitale Ausstattung und Vertrauen. Erst wenn die Grundbedarfe gedeckt sind, können sich Kinder entfalten. Die Schule weiß: Wer hungrig ist oder kein iPad hat, bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Verteilungs­gerechtigkeit

Verteilungsgerechtigkeit beginnt deshalb mit struktureller Fürsorge.
Der Unterricht startet bewusst später, damit Kinder gestärkt ankommen. Eltern werden in ihrer Sprache angesprochen, die Vielfalt im Kollegium spiegelt die Lebensrealität der Schüler:innen. Das schafft Nähe und fördert gegenseitiges Verständnis – auch außerhalb des Klassenzimmers.

Schwellen­gerechtigkeit

Schwellengerechtigkeit setzt dort an, wo Unterschiede greifbar werden.
Diagnostik, Profilunterricht ab Klasse 8 und außerschulische Lernorte helfen, individuelle Wege zu finden. Sprache wird hier nicht als Hürde, sondern als Ressource verstanden. Die NOL geht neue Wege, um Bildung zu ermöglichen – auch, wenn der Standardweg nicht passt.

Anerken­nungs­gerech­tigkeit

Anerkennungsgerechtigkeit ist an der NOL eine Haltungsfrage.
Wer hier unterrichtet, glaubt an das Potenzial der Schüler:innen – unabhängig von Herkunft oder Notendurchschnitt. Denn Zukunftsfragen gehören nicht nur in Gymnasien, sondern auch an die Neue Oberschule Lehe. Die NOL macht vor, wie Demokratie im Klassenzimmer beginnt – durch Zutrauen und Teilhabe.

Fazit

An der NOL beginnt Bildungsgerechtigkeit mit Vertrauen, echter Teilhabe und der Überzeugung, dass jedes Kind zählen und wachsen darf – unabhängig von Herkunft, Sprache oder Startbedingungen.