LOGBUCH Fotoshooting an der Albert-Einstein-Oberschule, Bremen Osterholz (AES)
02.05.2024, 8.30-12.30h
Unsere Fotomodelle sind drei Jungen aus den Jahrgangsstufen sechs und sieben, die sich auf das freuen, was am heutigen Vormittag kommt. Das verraten sie schon bei der Begrüßung zusammen mit Jonas Oltrogge, einem ihrem Lehrer, der zugleich auch einer der Interviewpartner bei unserem ersten Besuch an der AES war. Schnell kommen wir beim Aufbau des Equipments mit ihnen ins Gespräch darüber, was Bildungsgerechtigkeit – insbesondere im Kontext ihrer Schule – für sie bedeutet. Alle drei schildern die Farbphase (s.o. Fokus) in Klasse fünf als prägende und wegweisende Erfahrung: Es werde damit von Anfang an klar, dass es nicht auf die Herkunft oder auf die bisherige Geschichte ankomme, sondern dass man mit Beginn der Schulzeit an der AES neu anfangen könne. Das sei gerecht, da alle „von null starten“. Eine gerechte Schule ist für sie eine Schule, in der alle „die gleiche[n] Chance haben und gerecht behandelt werden, das bedeutet: keine und keiner darf bevorzugt werden“.
Florian betont, wie wichtig es ist, Freunde zu finden: Am besten schon am Anfang, damit man gemeinsam durch die Schulzeit gehen und sich, wenn nötig, gegenseitig helfen kann. Für ihn ist an einer (bildungs-)gerechten Schule besonders wichtig, dass Schülerinnen und Schüler fair miteinander umgehen. Darum bemühen er und seine Klassenkameraden sich auch; wenn es mal nicht klappt, helfen die Lehrkräfte – diese Erfahrung hat er schon mehrfach gemacht. Seiner Meinung nach könnten die Autoritätspersonen in manchen Fällen, in denen es zu ernsteren Auseinandersetzungen kommt, sogar noch schneller eingreifen.
Max ist kein Junge der lauten Töne; das, was er sagt, hat aber Gewicht. Das gilt für unser Gespräch im Laufe des Vormittags ebenso wie für seine Klasse – wie uns sein Klassenlehrer bestätigt. Für ihn ist an einer (bildungs-)gerechten Schule besonders wichtig, dass alle in der Schule freundlich miteinander umgehen und die Schule auch so genau so aussieht – freundlich. Als einziger der drei betont er, dass (Bildungs‑)Gerechtigkeit für ihn auch bedeutet, „den Fokus nicht nur auf die Schwachen zu legen, sondern auch auf die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler“.
Philipp geht in die sechste Klasse und hat ein Bild von sich ausgesucht, auf dem er mit einem selbst gewählten Motiv abgebildet ist, einem Kaninchen aus der schuleigenen Voliere. Das ist ein auf dem Schulhof abgetrennter Bereich für Tiere, die Schülerinnen und Schüler der AES im Rahmen einer Arbeitsgruppe versorgen. Philipp betont, dass er schnell an der Schule Freunde gefunden hat, und die ihm mitunter auch bei der Vorbereitung auf schwierige Klassenarbeiten helfen. Gleichzeitig sind Konflikte in der Schulgemeinschaft an der Tagesordnung. Er bedauert, dass es nicht immer gelingt, diese mit Worten zu klären. Lehrkräfte sind dann zuverlässige Ansprechpartner, die bei der Konfliktklärung helfen. Eine Runde auf dem Sportplatz helfe oft schon, um runterzukommen, danach können die Betroffenen meistens untereinander ihren Streit selbst klären – so wird es in Philipps Klasse gehandhabt.
Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs vergleichen die drei ihre Schule mit einem Schiff. Auf die Frage, wie ihr ideales (Schul-)Schiff aussehen würde, antworten sie „groß und modern“, also ausgestattet mit „Dinge[n], die nicht alt und benutzt sind“. Während Phillip und Florian angeregt über die Gestaltung des Schulschiffs weiter diskutieren – so dürften beispielsweise die Personen darauf nicht zu alt sein: „jünger wäre schon gut“ –, beobachtet Max das Geschehen konzentriert im Hintergrund. Wir lassen ihre Diskussion laufen und hören aufmerksam zu, eine Erfahrung, die Kinder sichtlich genießen. Offen, hell und grün soll das Schulschiff sein, und idealerweise eine für alle klar erkennbare Ordnung herrsche dort. Zum Beispiel sollten Tische klar als solche erkennbar sein und nicht wild durcheinander irgendwo, sondern an festen Orten stehen. Genauso wünschen sie sich auch ihre eigene Schule. Beim Blick, den wir später aus der Mensa nach draußen werfen, fällt auf, dass die AES dieser Beschreibung doch recht nahekommt. Das Gebäude und das Schulgelände sind groß, weitläufig und grün.
Auch im Hinblick auf die Strukturen erkennen wir viel von dem wieder, was die Jungen uns schildern: An der AES herrschen klare Regeln; das wird bereits auf der Schulwebsite unter dem Reiter „Regeln und Rituale“ ausgewiesen, Besuchern vor Ort wird es unmittelbar deutlich. Diese Regeln werden transparent kommuniziert und im Sinne eines konfliktfreien Miteinanders auch ein- und nachgehalten. So fällt uns beispielsweise auf, dass die Schulklos (seit einem Brand vor mehreren Jahren, wie die Schüler uns später erzählen) abgeschlossen sind, für die Benutzung muss persönlich ein Schlüssel abgeholt werden. Ein Schild informiert darüber, dass das Sekretariat heute nicht geöffnet ist, man kann jedoch seinen Namen hinterlassen und am nächsten Tag wiederkommen: „Dann bist du morgen zuerst dran“, informieren uns die Schüler. Klare Regeln bedeuten Orientierung, ihre Einhaltung Sicherheit für alle Beteiligten. „Wenn Regeln nicht eingehalten werden, muss das Konsequenzen haben; dafür sind insbesondere die Lehrkräfte verantwortlich und das erfordert Kraft, Konsequenz und manchmal auch Mut“, sagt Jonas Oltrogge. „Die Kinder merken aber sehr schnell, dass das ein Weg ist, auf dem wir uns mit ihnen beschäftigen. Indem wir hier Regeln aufstellen, kommunizieren und für deren Einhaltung sorgen, zeigen wir: Du bist und ihr seid uns wichtig, wir beschäftigen uns mit euch und bemühen uns hier um eine Gemeinschaft, in der wir möglichst konfliktfrei uns begegnen und damit die bestmöglichen Voraussetzungen für eine gemeinsame Arbeit herstellen können“.