Bildungsgerechtigkeit an der Pestalozzischule (GSP)
Bildungsgerechtigkeit ist ein Leitziel der Schule und gleichzeitig Motor aller Aktivitäten; diese sind an der GSP getragen von der Haltung und den pädagogischen Leitzielen, die die Schulgemeinschaft teilt. Die GSP versteht sich selbst als lernende Institution, die sich stetig weiterentwickelt – gemeinsam mit Eltern, Kindern und dem Kollegium. Was sich einfach anhört, ist nicht immer einfach, vor allem der so unterschiedlichen kulturellen und familiären Herkünfte aller Beteiligten. Trotzdem versuchen die Verantwortlichen an der Schule immer, einen gemeinsamen Weg zu finden.
Die GSP arbeitet nach dem Konzept der Neuen Autorität nach Haim Omer, was bedeutet, dass alle zur Gemeinschaft gehören, auch wenn es manchmal Schwierigkeiten und Konflikte gibt. Jede und jeder ist an der Pestalozzischule willkommen und wird herzlich aufgenommen, Diversität wird als Bereicherung begriffen. Wenn sich Kinder angenommen und willkommen fühlen, kann Vertrauen aufgebaut werden, das bildet die Basis für Bildungsgerechtigkeit und für gemeinsame Wege. Zu dieser Haltung gehören auch Beziehungsgesten, z.B. den Kindern „auch mal aufmunternd die Hände auf die Schulter zu legen“. Eine solche Haltung ist bei den für die Schulgemeinschaft Verantwortlichen „absolut notwendig“, sie ist allerdings „noch nicht so lange selbstverständlich“ (KB). Bei allen Absprachen und erzieherischen Prozessen steht das Kind als verantwortliches Mitglied der Gruppe im Fokus und gemeinsam werden Wege entwickelt, die zusammen getragen und umgesetzt werden. Die Schule versteht sich als Gemeinschaft, die sich gegenseitig stärkt, unterstützt, die Herausforderungen im Alltag bewältigt und dabei vertrauensvoll zusammenarbeitet. Verbindliche Schulregeln helfen dabei, diese gemeinsame Haltung zu leben, d.h. in den (Schul-)Alltag zu übersetzen.
Inzwischen hat sich ein „großartiges Team“ (KB) zusammengefunden, die dafür die Verantwortung übernehmen. Zu ihnen gehören viele junge Lehrkräfte, von denen einige bereits in ihrer Referendariatszeit in die GSP und die dort maßgeblichen Konzepte eingebunden wurden. Sie nahmen nach Abschluss ihrer Ausbildung ihre Tätigkeit an der GSP auf eigenen Wunsch auf. Derzeit arbeiten 12 Referendarinnen und Referendare an der GSP. Bildungsgerechtigkeit betrifft für Karina Becker nicht nur die Kinder an der Schule, sondern auch diese Auszubildenden, die möglichst lange so gut wie möglich begleitet werden sollen, um Unterricht in einem geschützten Rahmen erlernen sowie eigene Wünsche und Ideen äußern zu können. Die Schule übernimmt aus diesem Grund auch immer wieder Referendarinnen und Referendare von anderen Schulen. Es herrschen zwar einheitliche Regeln zum Einsatz von Auszubildenden, und dennoch ist die Qualität der Ausbildung oft unterschiedlich. Auch wenn an Schulen Personalnot herrscht und das Mentoring für die Schulen Mehrarbeit bedeutet, müssen die jungen, angehenden Lehrkräfte ihren Fokus auf die Ausbildung und nicht auf die Entwicklung der Schule legen. So dürfen sie beispielsweise nicht als Springer an Schulen „verheizt“ werden. Alle im Kollegium haben die Haltung „Wir schaffen das zusammen, gemeinsam sind wir stark, jeder ist ein wichtiger Teil der Schulgemeinschaft, jeder ist für jeden verantwortlich“. Es hat in den Jahren Höhen und Tiefen im Team der für die Schule Verantwortlichen gegeben; auch das hat das Kollegium an der GSP untereinander sowie mit den Eltern und Kindern noch einmal mehr zusammenwachsen lassen.
Die Kinder erfahren ihre Schule als einen Lebensraum, der allen die gleichen Chancen bietet, in dem ihre individuelle und ganzheitliche Entwicklung im Mittelpunkt steht und den sie in vielen Bereichen aktiv und verantwortlich mitgestalten dürfen. Alle Klassenräume sind gleich ausgestattet und es wird überall an der Schule mit dem gleichen Material gearbeitet. Die Kinder bewahren ihre Arbeitsmaterialien überwiegend in der Schule auf; die Lehr‑ und Lernmittelfreiheit im Land Bremen macht es möglich, dass fast alle Schulmaterialien durch die Schule finanziert werden. Was vor dem Hintergrund dieses Angebots für alle das einzelne Kind für seine bestmögliche individuelle Entwicklung benötigt, wird in regelmäßigen Förderkonferenzen thematisiert. Es gibt sehr viel Differenzierungsmaterialen für individuelle Erfordernisse, die dann entsprechend der Ergebnisse der Förderkonferenzen zum Einsatz kommen. Alle erhalten also dasselbe Angebot, vor dessen Hintergrund genau ermittelt wird, was davon jeder und jede Einzelne braucht, um in diesem gemeinsamen Rahmen individuell bestmöglich gefördert zu werden.
In der Grundschulzeit hängt für die Kinder an der GSP viel davon ab, wie gut diese Förderung gelingt, denn für viele Familien ist es zum Teil nur ganz bedingt möglich, diese Förderung selbst zu leisten. Die Gründe dafür sind vielfältig; häufige Beispiele sind sprachliche, bürokratische oder kulturelle Barrieren. So ist es in einigen Familien z.B. durchaus üblich, dass ein Kind den Haushalt erledigt statt zur Schule zu gehen. Wenn aber ein guter, konstanter Kontakt gepflegt werden kann und Ängste dadurch abgebaut werden, sind die Familien sehr häufig offen; sie wollen in der Regel nur das Beste für ihr Kind. Häufig lassen sie sich dann auch auf Dinge ein, die für sie fremdes Terrain bedeuten. Die Eltern werden an der GSP deshalb als wichtige Partner und unverzichtbarer Teil der Gemeinschaft gesehen; der Kontakt zu den Familien wird eng gepflegt. Es gibt immer die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch sowohl mit Schulleitung, als auch mit der Schulsozialarbeit sowie den Lehrkräften. Ein Elterncafé bietet die Möglichkeit, dass Eltern untereinander ins Gespräch kommen. Beziehung steht vor Erziehung und damit gehört die positive Beziehung zu den Familien an der GSP als entscheidender Faktor zu einem gelingenden Schulalltag. Die Eltern sind die Experten für ihre Kinder und „gute Schule“ kann nur wirksam werden, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Diesen Strang an der GSP bildet das Ziel, die Kinder zu selbstwirksamen und gleichzeitig teamfähigen Jugendlichen und Erwachsenen heranwachsen zu lassen, die sich als Teil der Gemeinschaft wahrnehmen und einbringen. Dazu gehört auch, dass sie für sich sagen können, „was geht und was nicht“. Die Förderung der Sozialkompetenzen jedes Kindes hat daher einen wichtigen Stellenwert. Es gibt in diesem Bereich verschiedenste Projekte, z. B. Schul-Sanitätsdienste, Klassensprecher-Seminare, Klassenräte und Schülerparlamente, Demokratie-, Kinderrechte- und weitere thematisch affine, in manchen Fällen mit dem Demokratiepreis der Bremischen Bürgerschaft ausgezeichnete AG-Projekte, u.a. die Demokratie-Wächterausbildung oder die Kinderkonferenz in Kooperation mit der Universität Bremen. Die Kinder dürfen sich jahrgangsübergreifend aussuchen, woran sie teilnehmen und dadurch ihre Schule mitgestalten möchten. So wurden in einem partizipativ angelegten Projekt vor einigen Jahren der Fußballplatz und die Toiletten der Kinder in Kooperation mit Seestadt Immobilien renoviert, aktuell nehmen Schülerinnen und Schüler an Arbeitsgemeinschaften zum Umbau der Schule teil. Ihre Wünsche und Anliegen werden ernstgenommen und bilden eine wichtige Grundlage in der Planung. Die Vielzahl und die Vielfalt der Projekte illustrieren eindrucksvoll: „Es gehört jede Menge Arbeit dazu, Kinder anzunehmen und stark zu machen“.
Unterstützt werden die Lehrkräfte und weitere Mitglieder des pädagogischen Personals dabei und auch in anderen Bereichen von den Schulsozialarbeiterinnen. Sie sind an vielen Projekten beteiligt, arbeiten eng mit den Eltern zusammen und bieten Gespräche sowie das Elterncafé an. Gleichzeitig fungieren sie als Bindeglied zwischen Schule und anderen Institutionen wie z.B. dem Amt für Jugend, Familie und Frauen in Bremerhaven.
Die Gemeinschaft an der Schule wird weiterhin gestärkt durch gemeinsam wahrgenommene besondere Anlässe, wie beispielsweise Schulfeste, Laternenfeste und Karneval. Meistens wird mit Kindern gefeiert, beim Betriebsfest ohne sie. Es finden außerdem regelmäßig Schulversammlungen und Werkschauen, vor allem bei Tanz- und Theaterprojekten auch in Kooperation mit anderen Schulen statt, in denen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, der Gemeinschaft ihre Arbeitsergebnisse zu präsentieren.
Neben dieser Haltung insbesondere im Hinblick auf die Schule als Gemeinschaft bildet der Ganztag eine weitere tragende Säule zur Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit. Das Angebot der Ganztagsschule können an der GSP derzeit rund 40 % der Kinder nutzen; es gibt lange Wartelisten.
Die GSP strebt an, eine gebundene Ganztagsschule zu werden, da u.a. die Versorgung der Kinder zuhause nicht immer ausreichend ist. Im Schulgarten wird Obst und Gemüse angebaut mit den Kindern und dann gemeinsam verarbeitet. Inzwischen gibt es täglich ein von brotzeit e.V. der Uschi-Glas-Stiftung unterstütztes Frühstücksbuffet, das für alle Kinder der Schule geöffnet ist. Die Schulleitung strebt außerdem ein kostenfreies Mittagessen für alle Kinder an. Auch das ist (bildungs-)gerecht: Wenn alle Kinder satt und zufrieden sind, können sie besser lernen.
Die Kinder erhalten im Ganztag außerdem die Möglichkeit, mehr Angebote im Bereich Sprachförderung wahrzunehmen, die das „A und O für Bildungsgerechtigkeit“ darstellt, denn: „Ohne Sprache ist Bildungsgerechtigkeit nicht zu erreichen“. Das beginnt schon bei der Anmeldung, wenn sich zeigt, dass viele Eltern die deutsche Sprache nicht kennen und große Ängste haben. An der GSP werden daher Sprachmittler von Beginn an eingesetzt, um Ängste und andere Barrieren abzubauen. Die Kinder sind in Bezug auf Sprache relativ entspannt und lernen in der Regel sehr schnell deutsch. Sprachbildung ist Aufgabe aller Fächer und das Kollegium begegnet den Kindern sprachsensibel. Die Schule arbeitet u.a. in allen Klassen mit Metacom-Symbolen sowie mit Plakaten in Gebärdensprache, die mit allen regelmäßig geübt wird. Es werden auch Sprachkurse für Sprachanfänger angeboten sowie Sprachförderung, die andere Sprachförderbereiche abdeckt. Ebenso gibt es eine logopädische Förderung in Kleingruppen. Jeder Morgen beginnt in jeder Klasse mit einem Morgenkreis, wo u.a. bei Bedarf über die individuelle Befindlichkeit gesprochen wird. Es wird auch zum besseren Verständnis mit den Herkunftssprachen gearbeitet z. B. über Bildkarten, so dass die Kinder Begriffe und Wörter besser zuordnen können. Der Schule ist auch wichtig, dass die Herkunftssprache erhalten bleibt, so gibt es beispielsweise Türkisch-Unterricht mit Lerntrainern. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit liegt aber auf der deutschen Sprache.
Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zur Stärkung von Bildungsgerechtigkeit machen die Verantwortlichen an der GSP daran fest, dass die Kinder mit einem Lächeln jeden Tag in die Schule kommen. Die Kinder machen während ihrer Zeit an der GSP eine enorme Entwicklung durch; immer wieder kommen Kinder, die die Schule bereits verlassen haben, gerne mal wieder zu Besuch vorbei. Eltern bestätigen, dass die Zeit an der Schule toll und wichtig für ihre Kinder ist bzw. war. Natürlich finden nicht alle Kinder alle Angebote gut, aber durch das vielfältige Angebot lernen sie, ihren eigenen Weg zu gehen. Deswegen ist es wichtig, „ihnen so viel wie möglich anzubieten und zu zeigen“.