LOGBUCH Fotoshooting – Schule an der Fritz-Gansberg-Straße (FGS)
25.04.2024, 12.30-15.00h
In der Mitte des gut situierten Bremer Stadtteils Schwachhausen erwartet uns bei diesem Fototermin eine ganz besondere Stimmung: In der FGS treffen wir, als wir mittags dort ankommen, keine Schüler mehr an. Das wollte unsere Interviewpartnerin Johanna Badelt so. Die Schüler seien ohnehin gerade so aufgeregt, da sich momentan so viel verändern würde – da wäre eine so ungewohnte Situation wie ein Fotoshooting einfach zu viel für sie. Schon das Gebäude selbst mit dem teils überwucherten Innenhof vermittelt den Eindruck, dass hier bald jemand das Licht ausmachen und gehen wird – für immer. Es fühlt sich bereits beim Betreten wie eine Art Abgesang an auf eine Welt, die es so bald nicht mehr geben wird. Trotz exakter Wegbeschreibung per Email dauert es eine ganze Weile, bis wir in diesem weitläufigen Schulgebäude Menschen begegnen – eine ungewohnte Situation! Schließlich treffen wir Johanna Badelt, den Schulleiter Bastian Hartwig und einen Teil des Kollegiums an, die im Lehrerzimmer gerade die im Sommer bevorstehende Abschiedsveranstaltung planen.
Die Schüler der Schule an der FGS wissen inzwischen – wie ihre Lehrkräfte schon eine ganze Weile länger – , was nach langen kontrovers geführten Diskussionen auch die Website der Schulbehörde mittlerweile offiziell vermeldet: Ihre Schule wird aufgelöst, das Ende dieses Schuljahres wird auch das Ende dieser Einrichtung sein. So sieht es das bildungspolitische Gesamtkonzept für Schülerinnen und Schüler in emotionalen und sozialen Problemlagen in Bremen vor: Vom Förderzentrum, von denen die FGS das letzte noch existierende Beispiel ist, werden sie nach dessen Auflösung in den regionalen Bildungsabteilungen an den vier Bremer ReBUZ aufgenommen, zum Teil zusammen mit ihren Lehrkräften. Die ReBUZ Bremen sind der Senatorin für Kinder und Bildung unmittelbar nachgeordnete schulbezogene Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen der Stadtgemeinde Bremen für Beratung, Diagnostik, Prävention, schulunterstützende Maßnahmen, Koordinierung, Kooperation, Netzwerkarbeit und Intervention bei Gewaltvorkommnissen, Krisen und Notfällen. Diese Bildungsabteilungen an diesen Einrichtungen, und nicht mehr besondere Förderzentren, sind dann für die Schülerschaft an der FGS und vergleichbare Fälle zuständig. Bildungsgerechtigkeit ist in diesem Verständnis erreicht, wenn das Förderzentrum für sozial-emotionale Förderung aufgelöst ist. Diesen Prozess vollziehen die Menschen, die wir heute hier treffen, gerade.
Da die Diskussionen darum, was mit dem letzten Bremer Förderzentrum geschieht, schon eine ganze Weile andauern, ist die FGS seit geraumer Zeit und auch am Tag des Fotoshootings eine „Schule im Übergang“. Das spürt man deutlich, als Johanna und Bastian uns durch das menschenleere Schulgebäude führen. In der FGS gibt es eine Grundschul- und Oberschulabteilung, die jeweils aufgeteilt sind in jahrgangsgemischte Lerngruppen mit höchstens sechs Schülern. Die Kinder und Jugendlichen werden von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen unterrichtet und begleitet. Jede Lerngruppe hat einen eigenen, festen Klassenraum. Johanna und Bastian zeigen uns die Klassenräume, die individuell abgestimmt sind auf die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen, die im Bereich Schule aufgrund von Problemen im sozialen und emotionalen Bereich besondere Unterstützungsmaßnahmen bzw. Angebote brauchen, damit sie eine angemessene schulische und soziale Entwicklung wahrnehmen können. Jedes Klassenzimmer sieht anders aus, in jedem Raum gibt es Rückzugsmöglichkeiten sowohl im Raum selbst als auch in einem angrenzenden, direkt vom Klassenzimmer aus zugänglichen und einsehbaren Nebenraum. „Solche Räume wie hier wird es nie mehr geben“, sagen die beiden. Der Bau stammt aus den 70er Jahren und wurde seither kaum verändert; die Umgebung ist an den Bedarf der Kinder und Jugendlichen angepasst, die hierher kommen. Ein großes Thema, das Johanna beschäftigt, ist: Raum,[1] konkret die Frage, ob die Kinder und Jugendlichen in den vier Regionen (ReBUZ Bremen Ost, West, Süd, Nord), in die sie kommen, so viel Platz haben, und so eine Ausstattung wie hier. Das brauchen sie aber, um sich (weiterhin) gut entwickeln zu können. „Wir bleiben dran“, sagt sie und wirkt dabei ruhig und entschlossen.
Die Klassenzimmer verraten eine Menge über die Kinder und Jugendlichen, die sie täglich benutzen, jetzt aber nicht anwesend sind. Bastian und Johanna erzählen uns genau, welches Kind und welcher Jugendliche wo seinen Platz hat und wie seine Geschichte lautet. So werden sie lebendig, ohne vor Ort zu sein. Man merkt, wie nah an den Kindern und Jugendlichen die beiden Lehrkräfte sind. Sie kennen ihre Lebensgeschichten und Besonderheiten und sprechen von ihnen mit großer Wertschätzung und Zugewandtheit. Es war und ist ihnen wichtig, dass die FGS so lange erhalten blieb, bis sie sicher sein konnten, dass ihre Schüler an den Einrichtungen, die sie aufnehmen werden, bestmöglich versorgt sind. Wenn wir mit Johanna und Bastian über die Zukunft sprechen, geht es für sie immer um die Zukunft ihrer Schüler, nicht um die Zukunft der Inklusion oder anderer bildungspolitischer Konzepte und Schlagworte. Es geht für sie um diejenigen, für die sie sich verantwortlich und zuständig fühlen. Dazu passt, wie sie uns erzählen, dass sie im Kollegium sehr lange darum gerungen haben, welche Lehrkräfte von der FGS welche Schüler an die aufnehmenden Einrichtungen begleiten werden. Das war ein langwieriger Prozess, das merkt man; die beiden sind jetzt aber offenbar zufrieden mit dem Ergebnis, das – so hoffen sie – das bestmögliche für die Schüler sein wird. Dazu haben Bastian und Johanna einen großen Beitrag geleistet. Am Ende des Fototermins habe ich den Eindruck, dass das ortsunabhängig ist. So bleibt zwar ein Rest Melancholie, weil es die FGS bald nicht mehr geben wird. Aber auch die Sicherheit, dass an der Entschlossenheit, mit der sich Johanna und Bastian für die Anliegen ihrer Schüler und deren Familien weiter einsetzen werden, nichts ändern wird.